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die Übergabe – Teil 2

Schon einige Tage nach dem Telefonat trafen sich Hannes und mi am halben Weg zwischen Hannes‘ Firma und dem Standort von b&mi. Ein neutraler Ort ist immer gut für ein Kennenlernen – so kann man mal die gegenseitige Sympathie ausloten, denn immerhin begibt man sich in so einem Projekt auf eine sehr persönliche, gemeinsame Reise.

Hannes erzählte von seiner Kindheit und den Visionen, die er für den Betrieb während seiner Lehre und in der Meisterschule entwickelt hat. Er erzählte auch vom Vater und dass es sehr beeindruckt ist was sein Vater geschaffen hat. Und er erzählte, dass es im leid tut, dass er mit dem Vater in letzter Zeit nicht klar kommt, aber er würde sich eben nicht länger verbiegen lassen wollen.

Hannes fühlt sich verstanden und eine gemeinsame Vertrauensbasis scheint gefunden worden zu sein. mi betont natürlich auch, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt und für die zweite – die Sichtweise des Vaters – interessiert sie sich eben genau so.

Hannes leuchtet das natürlich ein, aber er möchte endlich wissen, was denn nun das „Lehrbuch“ zu solchen Situationen meint. Was ist der richtige Weg?

mi hat auf diese Frage nur eine Antwort. Es gibt kein Richtig oder Falsch nach Lehrbuch, sondern nur ein persönliches „Richtig“ für Hannes und seinen Vater – und dieses „Richtig“ würden sie gemeinsam herausfinden, denn das persönliche „Falsch“ haben die beiden ja schon kennen gelernt.

Hannes macht sich mit vielen Fragezeichen aber einem guten Gefühl auf den Weg und überzeugt seinen Vater von der Notwendigkeit eines Gespräches mit mi, das auch in der Woche darauf stattfindet.

mi lernt in dem Gespräch einen sehr fürsorglichen Vater kennen, der ein Wenig in der Zwickmühle zu stecken scheint. Immerhin ist Hannes ja sein einziges Kind und er hatte ja so wenig Zeit für ihn, weil da ja das Geschäft war. Diese Aufmerksamkeit will er Hannes jetzt geben und ihn nicht in das kalte Wasser stoßen. Außerdem kommt er sich komisch – ja sogar nutzlos – vor, wenn er nach so vielen Jahren keine Meinung mehr haben darf. Auch die Sichtweise von Hannes’ Vater kennt mi sehr gut, denn in vielen Gesprächen zuvor hat sie ähnliche Aussagen gehört.

Natürlich möchte jedes Familienunternehmen über viele Generationen bestehen – immerhin ist das ein Zeichen der Beständigkeit und ein Beweis dafür, dass die jeweilige Generation in der Unternehmensführung immer alles richtig gemacht hat, wenn die nächste Generation auch nach der Unternehmensführung strebt. Jede neue Generation muss auch die Zeichen der Zeit erkennen und sich in der Umsetzung dieser Vision von der vorhergehenden emanzipieren. Aber muss das immer mit so viel Schmerz verbunden sein, fragt sich mi als sie sich auf den Heimweg macht.

Noch am selben Abend schreiben Hannes und sein Vater eine Nachricht an mi in der sie sich für die Gespräche bedanken, und dass sie gerne gemeinsam an einer Lösung arbeiten möchten.

mi erkennt, dass sie hier zwei unterschiedliche Lösungen entwickeln muss. Auf der einen Seite brauchen Hannes und sein Vater ein Maßnahmenpaket um deren Beziehung zueinander zu stärken – eine Vater-Sohn-Sache, die nichts mit der Firma zu tun hat. Auf der anderen Seite brauchen beide den beruflichen Freiraum, mit der Perspektive das Unternehmen in der Familie zu halten. Auf den ersten Blick eine schier unlösbare Aufgabe aber wie heißt es bei b&mi? Wenn es für andere schwierig wird, fangen wir an!

mi schildert die komplexe und mehrdimensionale Aufgabe im Büro und b beginnt auf einem großen Blatt zu zeichnen – Kreise, Pfeile, unleserliche Buchstaben und noch viel mehr. Jeder hat eben so seine Art das Gehirn zu aktivieren. Einige Gesprächsoffensiven wird es da schon noch geben zwischen b und mi bis eine gute Lösung für Hannes und seinen Vater gefunden wird – da kann es schon mal hitzig werden zwischen den beiden. Eines haben diese Gespräche aber immer zum Ziel – die beste Lösung für die Kunden.

Heute möchte mi ihre Lösungen präsentieren. Auch heute treffen sie sich wieder an dem Ort der beiden Erstgespräche – das hat sich bewährt. mi beginnt zu erklären, dass dieses anspruchsvolle Projekt gleich drei Lösungen braucht. Hannes und sein Vater sind verwundert aber gleichzeitig auch ebenso gespannt.

Erstens: mi hat in den Gesprächen beobachtet, dass sowohl Hannes als auch sein Vater den selben Schlüsselanhänger in der Form eines Ankers besitzen. mi hat herausgefunden, dass sie beide begeisterte Segler sind, jedoch für diese gemeinsame Leidenschaft schon die letzten Jahre keine Zeit vorhanden war. mi schlägt ihnen vor, diese gemeinsame Leidenschaft doch zu reaktivieren und die gemeinsame Zeit als Vater und Sohn zu genießen. Grundsätzlich sind Hannes und sein Vater begeistert von der Idee, doch sie merken an, dass sie ja doch wieder nur über die Firma reden würden.

Zweitens: Und hier kommt auch schon die berufliche Lösung ins Spiel. mi hat erkannt, dass es nicht zielführend ist, wenn der eine der Chef des anderen sein würde – egal wer von wem. Hannes hat erwähnt, dass er noch viel von der Welt sehen möchte, seine Kraft aber zum Wohl des Betriebes einsetzen möchte. mi schlägt erklärt, dass Hannes sein eigenes Montageunternehmen gründen könnte. Da wäre er für die nächste Zeit sein eigener Chef, sieht die Welt und ist obendrein eine tolle Ergänzung für den Betrieb in der Zukunft. Hannes bekommt ein Leuchten in den Augen. Aber was wird aus dem Vater und dem Betrieb?

Drittens: Hannes bekommt schon heute 25% der Unternehmensanteile und ist bei den großen Entscheidungen involviert. Das Tagesgeschäft schupft noch Hannes‘ Vater bis er eine Tätigkeit für seine Pension gefunden hat. Hannes’ Vater hat auch spontan eine Idee dazu. Er wollte schon immer seine eigenen Instrumente bauen. Vor Generationen gab es da nämlich jemanden in der Familie, der das auch gemacht hat.

Hannes und sein Vater haben wieder ein Funkeln in den Augen und haben erkannt, dass es immer individuelle Lösungen braucht und sie in Zukunft immer nach ihrer persönlichen Lösung suchten möchten. Sie vereinbaren mit mi, dass sie sich drei bis viermal im Jahr treffen möchten um die persönlichen Erfahrungen aus zu tauschen. Hannes und sein Vater haben das Gefühl, dass mi ihre Sprache spricht.

An einem Samstag im September läutet das Handy von mi. Hannes schickt ein Foto vom gemeinsamen Segeln mit seinem Vater. Sie haben gerade eine Regatta gewonnen und tragen beide ein breites Lächeln im Gesicht.